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Lebensleicht – Kolumne in der Regie Die Neue, erschienen am 9.11.21

Nebel hat einen schlechten Ruf. Ganz zu Unrecht, wenn Sie mich fragen. Auf meinem Spaziergang mit unserem Hund heute, war der Nebel so dicht, dass ich kaum fünfzig Meter weit sah. Dort, wo ich mich sonst über den schönen Ausblick freue, war nur eine graue Wand zu sehen. Jetzt fragen Sie sich sicher, was daran gut sein soll. Ganz einfach: Der Nebel hat meinen Blick daran gehindert in die Ferne zu schweifen, darum sah ich das, was direkt vor mir lag viel deutlicher.

Schon oft habe ich den Zug weit unten vorbeifahren sehen, ohne etwas von ihm zu hören. Heute hatte ich den Eindruck, der Zug mache einen ziemlichen Karch. Je nebliger – also je eingeschränkter die Sicht – desto geschärfter sind die anderen Kanäle und ermöglichen eine andere Erfahrung. Auch das finde ich richtig toll.

Eigentlich ist es mit dem Nebel wie mit einer fehlenden Internetverbindung. Zwar irgendwie lästig, aber andererseits auch viel ruhiger, intimer und durchaus auch klarer. Dinge, die nahe bei uns sind, rücken ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit. Und das ist gut so, nicht? Allzu oft bestaunen wir Dinge, die weit weg sind – und dadurch attraktiver wirken.

Im übertragenden Sinn gibt es in jedem Leben immer wieder Zeiten, in denen uns der Durchblick fehlt. Oft versuchen wir dann angestrengt, den Nebel zu durchdringen. Wie wär’s, wenn Sie das nächste Mal einfach darin verweilen, statt mit der fehlenden Klarheit zu hadern? Eine eingeschränkte Sicht zu haben, ist auch eine Chance – wenn wir in solchen Momenten nicht im Trüben fischen, sondern den Blick auf das richten, was klar erkennbar ist: Uns und das, was sich unmittelbar um uns befindet. Denn grade da, ganz nah bei uns selbst, gibt es viel zu sehen und zu erkennen. Nutzen Sie neblige Zeiten um sich um das zu kümmern, was vor Ihrer Nase liegt. Und vertrauen Sie darauf: Jeder Nebel verzieht sich irgendwann und macht den Blick wieder frei auf alle wunderbaren Dinge, die neben uns noch existieren.

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